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Wer spricht schon gern über Gefühle?
Schon als Kind beginnt das Versteckspiel. Wie von Stoffbahnen wird es eingehüllt. Mehr und mehr verschmelzen diese Schichten miteinander, Stoff und Haut, bis sie kaum noch unterscheidbar sind.
Wer zeigt sich schon gerne bloß? Blöße, die geht tiefer als Nacktheit, denn sie ist echt. Wie viele Schichten unter der Haut müssen durchdrungen werden, bis von einem Menschen etwas hervorkommt, das nicht nur eine Spiegelung seines Dunstkreises ist? Ich stelle mir vor, dass dort etwas wunderbar Rohes liegen muss, ebenso wertvoll wie ein seltenes Erz, das nur in großer Tiefe und Dunkelheit geschürft werden kann. Vielleicht ist es hässlich, ängstlich, schwach oder dumm, vielleicht geheimnisvoll, liebreizend oder erfüllt von ungeahnter Zuversicht, wenn es dann zu Tage tritt. Ohne Frage ist es besonders.
Doch die Momente, wo ein Streifen echter, unangetasteter Blöße aufblitzt, sind selten in einem Erwachsenenleben. Womöglich dringt in einem stürmischen Moment etwas davon hervor, wie ein gebrochener Knochen, der die Haut durchbohrt und weiß schimmernd aufblitzt zwischen rotem Fleisch. Anderes lässt sich vielleicht erahnen, in Bewegungen und Worten, in feinen, verblassten Narben. Immer jedoch bleibt das Unwissen größer als alles andere.
Wer kennt sich schon selbst?
(Ferdinand Uth, 2023)